Skip to content

„times new romance“ ist eine Serie von Arbeiten, die kollektiven Träumen und deren Ästhetik nachgeht. Die Installation untersucht die Polyphonie kollektiver Träume.

Hier zeige ich meine aktuellen Nachtträume, notiert immer dann, wenn ich im letzten Jahr von diesem sozialem Raum geträumt habe. Traumdenkend entdecke ich die kollektiven Sehnsüchte, die sich in mir fortspinnen. So wird die Frage virulent: Wann wird das Private politisch, und wo dringt die Öffentlichkeit in die intimsten Elemente der Privatsphäre, wie die eigenen Träume, ein?

***

Das habe ich geträumt:

***

Traum vom Donnerstag im Juli

zur blauen stunde leuchten deine sneaker auf dem kies. wir gehen die landebahn entlang und vor uns über wilmersdorf stehen die regenwolken auf. über nass werden sprechen wir, über sommerregen, alpenwetter, das baden mit dem wasser zwischen den beinen und den händen. über glaskugeln und straßenbarrikaden und das kritischsein schneller dann über das körpergefühl einer misslungenen vorstellung. über das blicke um sich werfen im theater. alles helle leuchtet. berlin tempelhof am ostermontag zweitausenddreiundzwanzig

***

von hito geträumt

ein grosser burgraum mit
galerien aus stahl
so fühlt sich den abschluss machen an
träum ich
hito spielt ein konzert mit ihrer freundin
post-punk
ich bin schüchtern und fühle mich männlich
danach fliegen wir umeinander
sind alle scheu aber wollen fame
grosses gedränge
darüber habe ich schon die ganze zeit nachgedacht, träume ich
dass die show der act des abends sein wird
hito spricht mich an
prüfend freundlich
ich schäme mich hoffnungen zu illusionieren
wir suchen rotwein
ich und hito
auf fleckigen holztischen sind nur angebrochene gläser
sie spült sich eins ab
hands on
ich taste im dunklen kühlschrank und biete ihr was an
aber sie hat schon eine flasche gefunden
peinlich, sich anbiedern, das merke ich schon im moment
versuche nicht rot zu werden
jung bin ich und schüchtern
sie fordert provokation
provokant sein
manchmal provoziert man aber nur sich selbst sage ich manchmal gibt es einfach keinen raum für provokation sage ich es gibt nichts peinlicheres als provozieren versuchen aber unprovokant zu sein und das künstliche, das dann kommt und das bemühte und das ist das gegenteil, sage ich, das ist harmlos

dann wache ich auf im traum will wegträumen absichtlich an was anderes denken, träume ich, wenigstens einen anderen traum träumen ohne hito ohne die burgstimmung, die vernebelte anstrengung, die unsicherheit in den kaltweissen wänden

der versaut sicher den nächsten tag, der traum, traumdenke ich
ich erzähle von soundscapes und drones und dass ich eigentlich nur filme machen will und mir wird ganz schlecht
kennen wir uns? fragt sie
und sie bekommt etwas vertrautes ein bisschen
schaut mich nicht an aber hört genau zu
eine seltene geste
zuhören
und sie erzählt
hat in porto einen film von marco polo gesehen
kürzlich
einen unbekannten
auf 16mm

und das sollte man mal verwenden, sagt ihr FREUND, sagt sie mir, während wir rotwein trinken in liegestühlen am mittelmeerstrand allein mit den füssen im sand

***

August

habe vom hexen geträumt

***

Traum am Dienstag Anfang September

filmvorführung

von meinem eigenen film
alles ist noch viel zu roh
ungelenk
und zu intim
mit vielen falschen schnitten und fragwürdigen szenen
mir ist irghh und ich bin nervös, sitze vorn auf der bühne und suche nach bekannten gesichtern
in der filmhochschule oder in babelsberg
die menschen sind noch von der letzten vorstellung da
traumdenke ich
aber sie gehen nicht sondern kommen
sind schaulustig
und ich muss den film vorstellen
einen rahmen bauen
wie und worum es geht
und es ist ja noch garnicht FERTIG und P ist nicht da
also er geht immer wieder um irgendwie den TON zu reparieren
und mir hört niemand zu
und die kinder werfen mit papierkügelchen
alles kinder

ich versuche zu erklären, verhaspelt und stimmlos
erreiche niemand und spreche durch das mikrofon nur zu mir selbst
es geht und geht nicht los weil ja der TON nicht funtioniert
im kino

und sie tragen immer mehr stühle rein und stellen die bühne ganz voll mit stühlen und es klappert so von plastikstühlen und mich schauen die grossen augen an von den jungen menschen

***

Traum im Herbst

akademietraum ZWEI
prüfung mündlich
gänge voll und aufgeregt
frau H weiss wann wer dran kommt
kurze weisse haare
viel zu spät
alte studienordnung
0930 ist 1030
ich komme rein
planlos
ein referat halten
reden über den barock
fülle leicht die 10 min
bin erleichtert
kommen fragen noch?
kenne ich feministische theorien auch zeitgenössische?

***

ein traum mitte november
2023

berghütte schlaflager urlaubsort
in oberbayern?
P kennt die besitzer
die katzen
viele tücher, textilien und ein bisschen die patina eines mir fremden lebens das mein eigenes sein könnte
schweiss von nicht geküssten frauen
P ist schon auf wir müssen abreisen
alles putzen
die anderen sind meine klasse
R S A L N und J und J und haufen von namen
sie sind da aber auch nicht
wie wenn ich mit P in einer kapsel sitze
wir zanken und ich steige aus
nebendran schmutziger rave
behaupte die veranstalter zu kennen
ein junger türsteher hält rücksprache
ich kenne die veranstalter
sie kennen mich und ich kann rein
leeres dunkel süsslich
vor der türe geht die sonne auf

ich spreche vom morgen der nacht ohne schlaf die nüchternheit
draussen pulken sich meine freunde um einen blumenkasten

eine italienische rivierakleinstadt
P muss arbeiten und abreisen und tränt und parkt sein auto
er hat sein zimmer fertig gemacht
das schlafhaus ist ungeputzt aber mich zieht es mit den anderen in die rivierakleinstadt
jetzt ein bier sage ich mit mir fremder stimme zu R
will gefallen und gefalle mir nicht und gehe mit und die pillen fangen an zu wirken

***

beuystraum

eine junge frau
ein langer gang
sie ist stolz
ihr fehlt ein eckzahn
erzählt mir seit sie mit ihm das interview macht
ist er nicht mehr so in sich gekehrt
ist er aufgegangen
ist er verständlich geworden
der gang führt in einen hellweissen konferenzraum
neben der bühne Beuys unter einem weiten lederhut

***

BAMF TRAUM

T ist im orient und kann nicht zurück

erzähle J von der lage und er empfiehlt mich ans amt

will einen zettel vom amt für T, der im iran ist und nicht zurückkommen darf

komme in einen langen raum im amt

J ist dabei
väterlich und prüfend

alles kunst-linoleum aber die tische aus vollholz

es ist leer nur ein sachbearbeiter sitzt da

verwachsen hellhaarig und ein wenig glänzend

freundliche witze macht er

ja seine kollegen sind schon weg es ist ja FREITAGNACHMITTAG

ich hole aus und lamentiere wie aus affekt über berufliche existenzängste

kunst und film und video und versuche das alles als meinen beruf

kurz-bio mündlich

hab noch 2000 euro gespart und meine eltern geben auch was dazu aber die PERSPEKTIVE

rudernd stolpernd
devot auch
nein also sie haben mir geld gegeben
als ich studiert habe
davon ist was übrig

haben einen debut-film gemacht für kino aber verdient daran nichts

plötzlich ist publikum da
wortwörtliche
lippenpiercing
der blick kommt von oben
mir im rücken
ich bin mir peinlich
niemand will mein klagen hören spüre ich

dann sage ich jetzt die wahrheit und nichts als die wahrheit
traumsage ich
er, mit dem ich zusammenlebe, mein leben teile, mein partner, ist ausgewiesen, abgeschoben und kann nicht zurück

merk wie mir die queere rolle gefällt

der sachbeamte hört zu
wo er mir zuvor noch notizen machend, konternd oder prüfend mit blicken widersprach, nimmt er jetzt seinen vielfüssigen bürostuhl stösst sich ab und rollt zur aktenschrankwand an der korridorstirn
er geniesst das publikum
zieht eine schublade auf und spielt mit einer handpuppe
ist bauchredner
macht spass
die eckige braun und grüne handpuppe zieht einen zettel raus
im griff wie kasperle sein gewehr
ich freue mich
hab ihn überzeugt
bin sicher es ist irgendein hilfsschreiben für T
es ist noch in den patschigen puppenhänden
dann wecker

***

29 November 2023
allein

dir in den schlaf schreiben

ich hab so einen krassen action verfolgungstraum gehabt in rom und flucht auf garagendächern und milano centrale stand am canale grande und ich hatte angst zu schwimmen und mit dem vaporetto und der ubahn und dann gelingt mir ein abstecher und der blickkontakt meiner bewacher, zweier junger männer, und einer ist P, reisst ab und panisch muss ich die gps funktionen abstellen und will zum nordhafen und zum schiff und muss nach new york und es muss new york sein nur da ist es sicher und vom nächsten kontinent aus schreib ich dir dann, dass alles gut ist und der bahnhof ist eine kirche und ich fiebere auf irgendeinen schnellzug der mich nach norden wegbringt und in den augen der jungen frau und ihren lippen sie sprechen deutsch neben mir spiegelt sich mein abenteuer in einem funkelnden und lustigen blick

***

14. Dezember
in Berlin

archivtraum

eine bibliothek oder ein uni-raum oder ein kellerabteil schwarze holzschränke: halboffen

ich stelle aus

einen monitor mit einem vierkanalvideo
habe ich mit mir
er hängt schon und man sieht bilder und hört: nichts

höre mir zu wie ich das narrativ dazu erzähle
fotodokumente
tafeln
aby warburg

O ist schon da und A hilft mir beim aufbauen.
wer ist A?
konzentriert bin ich und angespannt
scheitern
das video ist mickrig

O legt seine geschwindigkeit über den raum

dann fotos an den wänden
waren immer schon da
die meisten in schwarz weiss und
wundere mich

im video kommt ein fotoband vor und O entdeckt ihn in einem archivschrank kommt mit dem bildband zur ruhe und blättert

überall fotos aus der kindheit
der kindheit meiner eltern
an den wänden und auch in dem fotobuch
chroniken der 70er jahre

O ist begeistert

ich werde stolz

fange an die fotos zu erklären
die ich noch nie gesehen habe
erzähle wer sie gemacht hat
sie sind von meinem vater oder mir
mein vater taucht oft darauf auf
und ist sehr schön

meine oma
das ist T, ihr freund, traumsage ich
das ist J
und
jetzt übernehmen andere das gesichter finden in den wohnzimmern meiner grosseltern
und schlöndorff
und herzog
mattes
und darunter bist auch du, O

ich habe das ganze archiv zusammengetragen
zusammengebaut

dann ein päckchen kodak-color abzüge
einige hundert
dicker stapel

ich mit meinen eltern in portugal
strand und meer
und mein bruder und meine mutter
so schön und gross

und ich nehme es aus O’s händen, blättere es durch
spüre E’s blick an der wange
will mich nicht zeigen als kind
so aufgedunsen und fett
dann sehe ich mich selbst auf den bildern
hatte vergessen wie sehr dick ich war
kind in einem alten unbeweglichen haarigen körperberg gefangen
schüchtern ein rotes tshirt an am strand
spüre wie meine eltern mich lieben in den blicken
es nicht sehen meine scham
höre sie mit mir spielen
höre zu

ich traumdenke an die kindheit mit ihren schrecken
an die angst vor meinem eigenen körper

ein bisschen ist doch ganz normal, als kind, sagst du

ich fühl mich schade und glaube dir nicht

***

Traum von E

schlagerkonzert mit dir und plüschbühnenbild so große plüschkacheln in weiß und in rosa, es war in praunach oder in der nähe oder so irgendwie coverversion von vielleicht sweet home alabama oder uptown girl aber es geht um eine frau aus praunach auf deutsch wir sind im publikum und schauen uns an und ich denke wir gehen bald aber du sagst ich hol mir ein bier und ich nagut und verstehe es weil der schlagersänger ist ja aus deiner kunstklasse und dann kommt der professor und ist sauer auf dich wie du das zulassen konntest dass sowas schlechtes da aufgeführt wird und irgendwie mit ihm ja in verbindung steht und du hast bisschen in dich reinlachende schadenfreue lässt ihn auflaufen und sagst war doch super und wir trinken alle bier und hören das nächste schlagerlied die menge johlt der club ist so plastikpalmen und cuba libre und sehr auf dem land

***